Samstag, 10. November 2012

Glücksdurchbruch mit Matthias Pöhm? "Sie wollen keinen Erfolg - Sie wollen glücklich sein"

Ich schätze Matthias Pöhm, wenn er über Rhetorik schreibt. Und auch mit seinen beiden Glücks-Büchern vermag er es, Gedanken anzustoßem, zum Beispiel über die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Wenig überzeugend wirkt aber seine Erklärung des Lebens an sich und als solches. Laut Pöhm sind wir Geistwesen, die in einer materielosen Realität der universellen Liebe existieren. Die vorübergehende körperliche Existenz findet solange statt, bis in einer dieser Existenzen der Mensch zum Glücksdurchbruch findet. Ab dann darf er im Universum der Liebe verbleiben. Auch alle Tiere, Pflanzen und Gegenstände seien beseelt, so dass man mit ihnen kommunizieren kann. Der Glücksdurchbruch bestehe darin, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind. Sie sind nicht gut oder schlecht, sie sind einfach. Ob jemand liebender Familienvater oder mörderischer Vergewaltiger ist, erscheint aus dieser Perspektive belanglos: "Und alles, was ist, ist gut. Weil es ist." Keine Entscheidung sei wichtig, jedes Ereignis trete nur ein, weil das Universum uns zur Interaktion mit anderen bringen wolle. In den Büchern untermauert Pöhm diese Gedanken mit Beispielen, spirituellen Übungen und Handlungsempfehlungen zur Abtötung von Gefühlen. Hm. Wenn Pöhm Familienzusammenhänge vor allem als schädlich beschreibt, scheint es, als ob er persönliches Erleben in universelles Prinzip umgedeutet hat. So behauptet er, dass Mutter/Vater und Sohn/Tochter ähnlich tickten sei nicht wahrscheinlicher als bei zwei wahllos aus einer Fußgängerzone herausgepickten Leuten - allein die genetische Vererbung zum Beispiel musischer Talente dürfte diese These widerlegen. Und weil er zu Beginn des ersten Bandes schildert, wie er mit spirituellen Übungen das Universum seinem Willen unterworfen hat (durch ein Wunsch-Mantra über die Höhe einer verkauften Auflage, das Realität geworden ist) fragt sich auch der geneigte Leser nach Ende des zweiten, wieso er sich dieser Mühe unterzogen hat, wenn doch Erfolg oder Misserfolg völlig gleich seien im Energiefeld der universellen Liebe. Pöhm schafft es, seine persönlichen Neigungen in sich offenbar gut verkaufende Seminare und Bücher umzumünzen - ob es um Rhetorik geht oder deren Untersparte Flirten oder jetzt um Esoterik. Ich gönne es ihm von Herzen, denn langweilig ist es nie und ein manierlicher Denkanstoß hat noch keinem geschadet.

Dienstag, 6. November 2012

Tierquäler-Jokes auf Radio Eins: Krawall für Quote

Noch mehr als der Dauerregen hat mir am Sonntag Radio Eins das Autofahren vermiest. Das Rundfunkprogramm gehört zum öffentlich-rechtlichen RBB und hat unter dem Namen "Joko und Klaas mit Olli und Jan" ein Humor-Format, das besser Don Krawallo & Peppone hieße. An jenem Sonntagabend wurden Hörer aufgefordert anzurufen und zu beichten, wenn sie Tiere gequält hätten. Die Moderatoren würden ihnen dann die Absolution erteilen, jedenfalls wenn die Strafe nicht mehr als vier Jahre betrüge. Einer der beiden Moderatoren schilderte zum Beispiel, wie er mit einem Kescher ein Küken "plattgeschlagen" habe; das wäre in meinen Augen vielleicht noch gerade so als ausgedachte Satire nach "Der kleine-Tierfreund"-Art durchgegangen. Hat aber offenbar dazu beigetragen, dass ein Anrufer dann ohne erkennbare Distanzierung schilderte, wie er als Jugendlicher mit einem Freund eine Katze lebendig gehäutet und danach mit sieben Schüssen endgültig zu Tode gebracht hat - garniert mit beifällig-erstauntem Moderatoren-Lachen und Bemerkungen, wie dass es die Katze ja bestimmt verdient habe. Ein Moderator verließ das Studio, weil er es angeblich nicht mehr ertragen könne, aber auch das wirkte ob des ironischen Tonfalls eher wie eine spaßige Entschuldigung für einen Toilettengang. Als nächstes Satire-Themen drohen dann vielleicht Türkenklatschen oder Juden-Bashing. Dafür gibt's meist ja wohl auch unter 4 Jahre. Wenn das die "jungen Wilden" sind, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio in die Zukunft wiehern sollen - ich will Groucho Marx zurück. Die Sendung hat mich so genervt, dass ich eine Programmbeschwerde geschrieben habe. Frechheit scheint bei den Öffentlich-Rechtlichen immer öfter mit Witz verwechselt zu werden und Unverschämtheit mit Humor, siehe auch die Busengrabscherei bei ZDFneo. Krawall-Moderatoren auf Quotenjagd lassen sich auf Kosten von Gebührenzahlern öffentlich ihren Anstand wegoperieren. Es nervt.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Facebook: Der Freunde stille Schar


2011 wollte auch ich endlich wieder Teil einer Jugendbewegung sein und habe mir deshalb einen Facebook-Account eingerichtet, Datenschutz hin oder her. Hej, ich bin ein solider Mensch und habe nichts zu verbergen vor...

... Heimatschutzministerien, Spam-Vermailern, Vermietern, Kreditgebern, Nachbarn oder Chefs.*

Sehr schnell habe ich dann gelernt, meine Buch-, Musik- oder Filminteressen eher für mich zu behalten, um meiner Pinnwand keine Massendrucksachen zuzumuten. Und natürlich habe ich mir Facebook-Freunde zugelegt oder bin von ihnen zugelegt worden. Von denen wiederum heften aber nur wenige mal einen Zettel an meine oder auch nur die eigene Wand. Ausnahme sind a) Very Digital Natives oder b) Leute, die selbst beruflich mit Kommunikation zu tun haben.

Das kann Verschiedenes heißen. Vielleicht führen die Freunde ja trotzdem alle ein ganz wwwwildes Facebook-Leben - an dem sie mich nur nicht teilhaben lassen. („Ach ja, der Mario, lieber Kerl, aber doch schon älter; schonen wir lieber seinen Kreislauf. Eigentlich konnte ich den Typen sowieso nie leiden.“) Wobei ich eher glaube, dass auch Facebook vom Hype zum Utilitarismus geworden ist: Man ist dabei und pickt das für sich Nützliche heraus. Für mich sind das zum Beispiel Links, auf die ich selbst nicht gestoßen wäre, wohl aber ein Facebook-Freund. Oder der entspannende Smalltalk zwischendurch. Und weil zwar auch manche der realen Freunde, aber eben nicht alle auf Facebook sind, schreibt man ansonsten doch immer noch oder wieder Mails.

Vielleicht ist es mit Social Media ja wie beim schon x-fach totgesagten Fernsehen in Fernsehern. Zuerst ist die Serie neu und spannend und man mag keine Folge verpassen. Aber dann geht bei Emergency Room zuerst Doug Ross und mit ihm George Clooney, und dann stirbt auch noch Mark Green. Man bleibt noch eine Staffel oder zwei dran, guckt aber nicht mehr jede Folge und fängt an, nebenher Zeitung zu lesen. Und irgendwann hat man das Interesse völlig verloren, weil etwas Neues verlockend blinkt.

Vielleicht sollte ich mich ja bei Xing anmelden.*

*Achtung: Dieser Satz könnte Spuren von Euphemismus enthalten.



Foto: Spreepark Berlin, auch schon seit Jahren still